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Oliver Reiser

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Bioethanol - klimafreundlich und ethisch vertretbar? English Italiano

Oliver Reiser

Bioethanol wird als grüne Treibstoffalternative gepriesen. Doch neben ethischen Problemen wird zunehmend auch dessen Klimafreundlichkeit in Zweifel gezogen. © Chemie-im-Alltag 2007.

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Distickstoffoxid – schädlicher für das Klima als Kohlendioxid!

Durch die verstärkte Stickstoffdüngung tritt aber noch ein weiteres Problem auf: Bei der Umsetzung der Nitrate entsteht auch Distickstoffoxid (N2O, besser bekannt als Lachgas), ebenfalls ein Klimagas, das aber etwa 300 mal stärker zur Klimaerwärmung beiträgt, als das stets als Klimagas Nummer Eins im Brennpunkt stehende Kohlendioxid. Berechnungen des für seine Arbeiten zur Ozonproblematik mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Wissenschaftlers Paul Crutzen ergaben, dass im Vergleich zu fossilen Brennstoffen der Einsatz von Rapsdiesel bis zum 1.7 mal mehr, der aus Mais destillierte Alkohol bis zu 1.5 mal, und der aus Weizen destillierte Alkohol zwischen 1.3 und 2 mal mehr zum Treibhauseffekt beiträgt. Doch damit nicht genug: Distickstoffoxid gehört in die Klasse der die Ozonschicht schädigenden Stickoxide. Zuckerrüben schneiden in dieser Rechnung – noch – gut ab, da deren Anbau hauptsächlich in Ländern – Südamerika – stattfindet, in denen der Ackerboden weniger stark gedüngt wird. Doch sollte auch nicht übersehen werden, dass gerade in diesen Ländern die für die Zuckerrüben benötigten Anbauflächen durch Brandrodung des Regenwalds gewonnen werden, was eine immense Emission von Kohlendioxid bedeutet und weiterhin die grüne Lunge unserer Welt nachhaltig schädigt.

Bioethanol - der ethische Faktor

Eines sollte bei der Bioethanoldiskussion nicht vergessen werden: Wir tauschen Treibstoff gegen Lebensmittel ein! Schon jetzt ist eine spürbare Verteuerung der Getreidepreise in Europa zu bemerken, die fraglos auf dessen alternative, lukrative Verwendung als Benzinersatz zurückzuführen ist. Die ethisch äußerst bedenkliche Konsequenz ist aber, dass Lebensmittellieferungen in Entwicklungsländer – etwa aus Überproduktionen von Getreide – in Zukunft gegen den hieraus zu gewinnenden Treibstoffwert aufgerechnet werden könnten und auch diese Länder selbst die Produktion von Treibstoffen statt von Lebensmitteln aus Profitüberlegungen favorisieren werden. Noch heute hungern viele Menschen auf der Welt, und die Weltbevölkerung wird sich in den nächsten 50 Jahren voraussichtlich mindestens verdoppeln. Eine Energiepolitik, die im großen Stil auf die Umwandlung von nachwachsenden, und insbesondere von in Lebensmittel umwandelbaren Rohstoffen in Treibstoffe setzt, könnte zu einer humanitären Katastrophe führen.

Bioethanol & Co - Treibstoffe der Zukunft?

Die Nutzung von Biokraftstoffen kann meines Erachtens ohnehin allenfalls kurzfristig einen Beitrag zur Energieversorgung leisten, schon der jetzige, aber vor allem der zukünftige Energiebedarf der Welt sind einfach zu groß. Aufgrund der oben geschilderten Problematik, Lebensmittel für Treibstoff einzutauschen, halte ich daher eine zukünftige Energiepolitik, die auf Biokraftstoffe mit der gegenwärtig zur Verfügung stehenden Technologie setzt, für sehr bedenklich. Die weitere Erforschung einer effizienteren Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen wird daher fraglos eine wichtige Aufgabe sein. Das neu gegründete Exzellenzcluster Maßgeschneiderte_Kraftstoffe_aus_Biomasse an der RWTH Aachen, das die Verwertung von nachwachsenden Rohstoffen, insbesondere von Cellulose und Lignin – den Pflanzenbestandteilen, die für eine Lebensmittelproduktion nicht brauchbar sind – untersucht, ist daher ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Im Gegensatz zu der in den Früchten von Pflanzen enthaltenen Stärke - bestehend aus Amylose und Amylopektin –, die sich leicht durch enzymatische Verfahren in Ethanol umwandeln läßt, ist Cellulose – Hauptbestandteil von Holz – sehr viel stabiler und daher schwieriger aufzuspalten. Allein schon das Auflösen von Cellulose, wichtige Voraussetzung für die Prozessierung, ist schwierig. Ionische Flüssigkeiten, im einfachsten Fall vom Ammoniak abgleitete organische Ammoniumsalze, zeigen seit kurzem neue Wege, Cellulose tatsächlich in Lösung zu bringen. Doch Ammoniak siedet bereits bei –33 °C, so dass für dessen Einsatz als Lösungsmittel aufwendige und energieintensive Kältetechnik erforderlich ist. Ionische Flüssigkeiten sind zwar bei Raumtemperatur oder leicht erhöhten Temperaturen flüssig und somit gut handhabbare Lösungsmittel, die in der Herstellung aber teuer sind und aufgrund deren schechten Abbaubarkeit auf ökologische Probleme mit sich bringen. Die Entwicklung von neuen chemischen Verfahren für die Prozessierung von Cellulose ist gefragt; dass dies grundsätzlich möglich sein sollte, machen uns ja beispielsweise die Termiten in eindrucksvoller Weise vor.

Die Lösung der Energieprobleme muss aber langfristig auf andere Techniken, vor allem auf die nachhaltige Entwicklung der Kernfusion und Solarenergie im Kombination mit der photochemischen Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff, setzen. Dagegen werden nachwachsende Rohstoffe ihre Bedeutung als wichtige Ausgangsstoffe zur Herstellung von Ethylen – und damit von Kunststoffen – sowie von anderen Feinchemikalien, die momentan aus Erdöl gewonnen werden, ausbauen.

Die Emission von Kohlendioxid in der Zukunft - mit und ohne Biokraftstoffen

Aufgrund des ungeheuren und stetig steigenden Energiebedarfs der Welt, der mangels echter Alternativen auch weiterhin zu einem großen Anteil über fossile Brennstoffe gedeckt werden wird, wird sich in den nächsten Jahrzehnten die Kohlendioxidkonzentration deutlich und unaufhaltsam erhöhen, trotz aller Sparanstrengungen und der Nutzung von Biokraftstoffen. Letztere Maßnahmen können die Erhöhung der Kohlendioxidkonzentration auf 500-800 ppm verzögern, aber nicht aufhalten. Die Welt wird sich auf ein Leben unter diesen Bedingungen einstellen müssen, mit allen Nachteilen, aber auch Vorteilen, die eine Klimaerwärmung mit sich bringen wird. Wie hoch die Klimaerwärmung allerdings sein wird, ist unklar und auch heftig umstritten. Aus chemischer Sicht ist keinesfalls klar, dass eine Klimaerwärmung - schon gar nicht in dem in vielen Klimaszenarios genannten Ausmaß – durch die Erhöhung der Konzentration an Kohlendioxid bewirkt wird. Leider wird die Klimadiskussion viel zu stark aufgrund von deskritptiven Sachverhalten - etwa Wetteraufzeichnungen aus vergangener Zeit - geführt, ohne sich einmal mit den chemischen und physikalischen Grundlagen des Treibhauseffekts zu befassen.

Bildnachweis
Maiskolben (von Johann Jaritz aus Wikimedia Commond)

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