Oliver Reiser

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Schuhe, die krank machen können!

von René Schneider und Oliver Reiser

Bei einer Untersuchung von Sommerschuhen wurden in jedem dritten Paar bedenklich hohe Konzentrationen des hochgiftigen Schwermetalls Chrom(VI) festgestellt.

Die heiße Jahreszeit ist endlich auch in Deutschland angekommen - und Sommerzeit ist Sandalenzeit. Die Winterstiefel verschwinden in den Schränken, und neue luftige Sommerschuhe müssen her. Doch wer denkt beim Schuhkauf schon daran, dass die neuen Treter krank machen könnten?

Chrom(VI)-rückstände in Schuhen

Eine Stichprobe des Fernsehsenders WDR, veröffentlicht in der Sendung Markt vom 29.5.2006, ergab, dass fast ein Drittel der untersuchten Schuhe den erlaubten Grenzwert für Chrom(VI) deutlich überschritt! Den Rekord hat ein Paar Riemchensandalen aufgestellt, das es auf das Zehnfache des erlaubten Wertes gebracht hat. Welche Schuhe hiervon betroffen sind, können Sie hier nachlesen bzw. sich Abbildungen der belasteten Schuhe ansehen.

Chrom(VI) kann schwere Allergien auslösen. Die ersten Symptome sind meist juckende rote Flecken an den Stellen, die direkt mit dem Leder in Berührung kommen. Bei weiterem Kontakt mit belastetem Leder können sich diese zu flächigen Ekzemen entwickeln, oder zu Rissen, die bis in das Gelenk hineingehen. Dies kann zu Gelenkentzündungen und somit zu Gehbehinderungen führen.

Chrom und Leder - der Gerbprozess

Für die Lederherstellung muss die verwendete Tierhaut (überwiegend Rinderhaut) geschmeidig und haltbar gemacht werden. Für diesen sogenannten Gerbprozess werden verschiedene Chromverbindungen in der Oxidationsstufe +3 eingesetzt. Das sogenannte Chrom(III) vernetzt sich dabei in komplizierter Weise mit dem Hauteiweiß, wodurch widerstandsfähiges aber dennoch weiches, schweißechtes, wärmeunempfindliches und leicht zu färbendes Leder entsteht.

Unter extremen, nicht sachgerechten Bedingungen, kann aus dem für die Gerberei eingesetzten Chrom(III) durch Oxidation das hochgiftgie Chrom(VI) entstehen. Chrom(VI) ist in Deutschland in Schuhen und allen anderen Lederartikeln verboten. Die gängige Nachweisgrenze liegt bei drei Milligramm pro Kilogramm - neuere Verfahren sind inzwischen empfindlicher - und gilt daher als Grenzwert.

Chrom(VI) - Julia Roberts alias Erin Brockovich läßt grüßen

Chrom(VI) ist als Umweltgift schon seit langem bekannt. So wurde in den 60er, 70er und 80er-Jahren die Gesundheit der Bewohner von Hinkley (Kalifornien) durch giftiges Chrom(VI) im Grundwasser massiv angegriffen, vor allem Krebserkrankungen traten gehäuft auf. Der Ursprung des Chrom(VI) konnte auf eine nahe gelegene Niederlassung der Firma Pacific Gas and Electric Company zurückgeführt werden. 1996 wurde die Firma aufgrund der Nachforschungen von Erin Brockovich und Ed Masry mit Erfolg verklagt: Den Betroffenen wurden im bisher größten Schadensersatzprozess der amerikanischen Geschichte 333 Millionen Dollar Entschädigung zugesprochen.

Benzidin - ein krebserregendes Ausgangsmaterial für Farbstoffe

In einem Paar Schuhe wurde sogar Benzidin nachgewiesen. Benzidin wurde früher hauptsächlich zur Herstellung von Farbstoffen verwendet. Da dieser Stoff jedoch stark krebserregend und in höchstem Maße gesundheitsschädlich ist, unterliegt es schon lange sehr strengen Herstellungs- und Verwendungsverboten!

Chemische Prozesse in der Hand von Nicht-Chemikern?

Mit der nötigen Sachkenntnis und der entsprechenden chemischen Labor- und Anlagenausstattung ist der Gerbprozess von Leder als vollkommen sicher einzuschätzen. Leider wird hier wie bei vielen anderen industriellen wie auch alltäglichen Prozessen - denken Sie nur einmal an die im Haushalt verwendeten Reinigungsmittel - die Rolle der Chemie unterschätzt und mit mehr oder weniger laienhaftem Sachverstand hiermit umgegangen. So ist auch gerade bei der Ledermöbelreinigung Vorsicht geboten: Wenn einfaches Abwischen durch ein feuchtes Tuch nicht hilft, sollte man sich Rat bei darauf spezialisierten Unternehmen suchen.

Unsere heutige Berührungsangst mit der Chemie wird überwiegend mit Prozessen bei der Herstellung oder Verwendung von Chemikalien durch die chemische Industrie verbunden. Dabei garantieren hierbei nicht nur strenge gesetzliche Auflagen, sondern auch der Sachverstand exzellent ausgebildeter Chemiker gepaart mit hochtechnisierten Ananlyseverfahren die Vermeidung von Gefahren und die korrekte Einschätzung von Risiken. In vielen, der Chemie nicht direkt zugerechneten Bereichen, in denen sie dennoch eine große Rolle spielt, würde man sich dagegen den Standard der Chemie sowohl an ausgebildetem Fachpersonal, wie auch in der apparativen Ausstattung wünschen.

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