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Oliver Reiser

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Giftige Euroscheine?

Oliver Reiser

Äußerst giftige Organozinnverbindungen sind in den 10-Euroscheinen nachgewiesen worden. Was bedeutet das für den täglichen Umgang mit den neuen Banknoten?

In der Zeitschrift Öko-Test wurde über nicht unerhebliche Mengen an Organozinnverbindungen, insbesondere an Tributylzinnsalzen (TBT), in den neuen 10 Euroscheinen berichtet. Solche Verbindungen sind für den Menschen außerordentlich giftig, doch wie immer kommt es auch hier auf die Mengen an. Ob Sie die Euroscheine in Zukunft besser nur noch mit Handschuhen anfassen sollten, soll in diesem Artikel diskutiert werden.

Der Einsatz von Organozinnverbindungen

TBT-Verbindungen haben starke, antibakterielle Eigenschaften. Sie werden daher Anstrichfarben für Schiffe zugesetzt, um etwa den Schimmelbefall von Schiffsrümpfen zu verhindern. Offensichtlich wurden solche Farben auch für die 10-Euroscheine verwendet. Da ein Euroschein durch viele Hände geht, ist dessen antibakterieller Schutz sicherlich sehr begrüßenswert. Weiterhin wirken Organozinnverbindungen auch als UV-Filter und schützen so die Euroscheine vor dem Ausbleichen durch Sonnenlicht. Da Organozinnverbindungen wie TBT und insbesondere die verwandten Tetraorganozinnverbindungen unter Überwindung der Blut-Hirn-Schranke in das menschliche Gehirn vordringen können, sind sie für den Menschen aber besonders giftig.

TBT in der Nahrungskette

Durch den Schiffsanstrich mit TBT-haltigen Farben ist TBT in die Gewässer, und damit über die Fische in unsere Nahrungskette gelangt. Die europäische, nicht verbindliche Empfehlung für die Belastung durch TBT in Speise-Thunfisch liegt zwischen 10 und 20 Mikrogramm TBT pro Kilogramm Thunfisch (µg = Mikrogramm = 0,000 001 g). Einen europaweit festgelegten Grenzwert für die tägliche Aufnahme von TBT für den Menschen gibt es nicht. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 0,25 µg/kg Körpergewicht vorgeschlagen. Für einen durchschnittlichen 60 Kilogramm schweren Menschen läge die Tagesdosis damit bei 15 µg. Kritiker halten diesen Wert jedoch für zu hoch, da die Langzeiteffekte von TBT nicht ausreichend berücksichtigt sein könnten.

TBT im Euro

Die in den 10-Euroscheinen gefundene Menge an TBT beträgt 740 µg/kg Euroscheine, eine im ersten Moment gigantisch erscheinende Menge. Ein 10-Euro Schein wiegt jedoch nur 0,75 g, so dass also nur etwa 0,5 µg TBT in einem 10-Euroschein enthalten sind. Nun essen wir aber die Euroscheine nicht, so dass wir diese Menge an TBT selbstverständlich nicht in uns aufnehmen. Und es wird natürlich nur ein unbedeutender Bruchteil - ich kann nur schätzen, aber ich würde vermuten weit weniger als ein Tausendstel der im Euroschein enthaltenden Menge an TBT – bei der Handhabung der Scheine im täglichen Gebrauch an die Haut abgegeben. Eine Gefahr für die Gesundheit durch die neuen Euroscheine ist daher nicht zu befürchten. Natürlich wäre es begrüßenswert, den Gebrauch von TBT so weit wie möglich einzuschränken und vielleicht in Zukunft auch nicht mehr in der Farbe für die Euronoten zu verwenden. Umgekehrt sollte aber jedem klar sein, dass wir über die Nahrung, vor allem durch den Verzehr von Meerestieren, einer ungleich höheren Belastung durch TBT ausgesetzt sind. Und da man einem Euroschein nicht ansieht, welche gefährlichen Mikroorganismen ihn vielleicht schon auf seiner Reise durch Europa bevölkern wollten, ist mir dessen antibakterieller Schutz sehr wichtig, auch wenn er durch TBT erzielt wird.

Bildnachweis:
Euro-Zone: Wikimedia Commons, Public Doman

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